Kat Morris

Seit Oktober 2022 erleben wir einen erneuten Hype rund um Anne Rices Vampirklassiker „Interview mit einem Vampir“ (1976). Als Serie neu verfilmt kommt der Stoff queerer, camper, blutiger und vor allem intersektioneller daher als zuvor und beweist, dass er auch fünfzig Jahre nach Veröffentlichung des ersten Romans alles andere als untot ist. Besonders marginalisierte Fans halten die Serie hoch als die Art von Repräsentation, die sie sehen möchten: Chaotisch, „messy“, aber authentisch. „Wir brauchen nicht nur gute Repräsentation!“, heißt es. „Wir müssen marginalisierte Figuren messy sein lassen!“ An dieser Stelle würde ich gern das berühmt-berüchtigte Record-Scratch-Geräusch abspielen, denn gerade eben sind wir falsch abgebogen.

Die Idee von „guter“ und „schlechter“ Repräsentation marginalisierter Identitäten in Fiktion ist nicht neu, auch nicht die Reibung, die der Diskurs um beide Begriffe in Online Spaces erzeugt, ist schon einige Jahre spürbar. „Wir brauchen nicht nur gute Repräsentation“, heißt es, auch über „Interview With the Vampire“ hinaus, immer wieder, und besonders in der letzten Zeit ist häufig zu beobachten, dass die Bedeutung von „guter Repräsentation“ sich auf eine Weise verwaschen hat, die den Diskurs schwammig macht. Denn, wenn von „guter Repräsentation“ die Rede ist, ist eigentlich „positive Repräsentation“ gemeint: Eine Darstellung marginalisierter Figuren, die selbst marginalisierte Konsument*innen bestärkt und ihnen das Gefühl gibt, nicht nur gesehen zu werden, sondern vor allem verstanden.

Von Feel-Good bis Horror: Was gute Repräsentation sein kann

Unter diesem Blickwinkel ist AMCs „Interview With the Vampire“ durch und durch positive, gute Repräsentation: Die Serie liefert komplexe, authentische marginalisierte Figuren, deren Agency und Motivation, auch, wenn diese nicht immer „gut“ ist, im Vordergrund steht. Viele Zuschauende sehen sich auf verschiedenste Weise gesehen und bestärkt. Wo genau entsteht dann aber der Konflikt? Der Reibungspunkt, und das ist in sich sehr simpel, liegt im Wörtchen „gut“. Denn zu oft wird die Forderung nach „guter“ oder „positiver“ Repräsentation missverstanden als Forderung nach marginalisierten Figuren, die durch und durch gute Menschen sind, denen nichts Traumatisches passiert und die schon gar nicht selbst zweifelhafte, oder „böse“ Entscheidungen treffen. Als Forderung nach Friede-Freude-Eierkuchen-Medien, die nicht herausfordern.

Natürlich muss an dieser Stelle gesagt werden, dass auch solche Feel-Good-Medien ihren Platz in der modernen Medienlandschaft haben müssen. Das oft für seine Eierkuchen-Welt kritisierte „Heartstopper“ (2022-) hat als leichte, fluffige Romance-Serie über marginalisierte Figuren natürlich sein Existenzrecht und wird von vielen Zuschauenden auch genauso gebraucht, wie es ist. Die Forderung nach „guter Repräsentation“ ist jedoch keine Forderung danach, nur noch „Heartstopper“-Welten zu zeigen, in denen marginalisierte Figuren keine schweren oder gar traumatischen Konflikte erleben dürfen. „Heartstopper“ und „Interview With the Vampire“, so grundverschieden wie beide Serien sind, existieren so gesehen als die beiden Enden auf einer Skala dessen, was „gute“ oder „positive“ Repräsentation sein kann.

Die Forderung nach „messy, edgy“ Repräsentation wird in den letzten Jahren immer lauter und das ist verständlich. Im Mainstream ist durchdachte, bewusste Repräsentation von Minderheiten erst seit knapp zehn Jahren überhaupt „salonfähig“ und in den Anfangsjahren war das Bedürfnis nach Friede, Freude und auch Eierkuchen tatsächlich sehr groß: Der Kontext, dass die Darstellung von Minderheiten in den Jahren zuvor oft sehr negativ ausfiel – spottend, beleidigend oder sogar gewaltvoll – ist hier maßgeblich und kann nicht ignoriert werden. Um 2013/2014 war ein Ausgleich zu der Flut an Medien, in denen marginalisierte Menschen sehr negativ dargestellt wurden, bitter nötig und ließ leider auch nicht immer Spielraum für Nuancen. Zu groß war die Masse an negativen, diskriminierenden Darstellungen, die ausgeglichen werden musste.

Knapp zehn Jahre später sind wir nun an einem Punkt angekommen, an dem Nuancen, Facetten und komplexe Auseinandersetzungen damit, was „gute“ Repräsentation überhaupt ist und sein kann, immer wichtiger werden. Von „Wir brauchen dringend überhaupt Repräsentation“ sind wir, und das ist ein großer Schritt, weg, jetzt geht es darum Nuancen zu schaffen und nicht nur ein tiefes Angebot an „guter“ Repräsentation zu schaffen, sondern auch ein breites, das so viele Bedürfnisse und Lebensrealitäten abdeckt, wie möglich. In einer Medienlandschaft, die Klischees und negative Tropes vermeiden und authentisch verschiedene Lebensrealitäten zeigen möchte, können „Heartstopper“ und „Interview With the Vampire“ nicht nur gemeinsam als positive Repräsentation existieren, sie müssen sogar.

Wer hat die bessere Repräsentation?

Der ewige Diskurs darum, welche Serie jetzt „echter“ ist, „authentischer“, „queerer“ – kurz gesagt die „bessere“ Repräsentation – führt ein Stück weit ad absurdum, weshalb wir uns in vergangenen Jahren überhaupt so sehr für Repräsentation eingesetzt haben: Marginalisierte Menschen möchten genauso gesehen werden, wie alle anderen Menschen. Und auch marginalisierte Menschen sind keine homogene Zielgruppe, sondern Individuen, die an Repräsentation und die Medien, die sie konsumieren, verschiedene Ansprüche haben. So weit, so gut. Der Fehler, den der Diskurs an dieser Stelle nicht machen darf, ist „gute Repräsentation“ als einschränkend zu verstehen. Denn „gute“ Repräsentation soll kein Zwang sein, nur glückliche, herzensgute marginalisierte Figuren zu schreiben, denen niemals etwas Schlimmes passiert.

Ich denke, wir müssen den Diskurs wieder schärfen. Wir müssen deutlicher benennen, was wir meinen, wenn wir von „positiver“ Repräsentation sprechen und wir sollten keinen Raum lassen für Menschen, die bewusst zu negativen Darstellungen – spottend, beleidigend, gewaltvoll – zurückkehren möchten. Wenn wir Repräsentation wie die in „Interview With the Vampire“ als „schlechte Repräsentation“ benennen, wenn wir laut „schlechte Repräsentation“ fordern, aber damit „messy“, „edgy“, düster oder komplex – nichts davon ist tatsächlich schlechte Repräsentation – meinen, schaffen wir einen Raum, in dem der Wunsch nach dieser Art von Repräsentation missbraucht werden kann. Nach dem krassen Wandel, den unsere Medienlandschaft in den letzten ca. zehn Jahren erlebt hat, ist es zu leicht geworden zu vergessen, wie es sich angefühlt hat in einer Welt ohne positive Repräsentation zu leben und sich höchstens als negativ konnotierte Witzfigur „repräsentiert“ zu sehen.

Gute Repräsentation hat viele Seiten. Sie kann fluffig-romantisch sein, konfliktarm und feel-good, doch sie kann auch „messy“ sein, schwierig, moralisch grau, düster und komplex. Diese Vielseitigkeit der Begrifflichkeit „gute“ oder „positive Repräsentation“ müssen wir uns offenhalten und vor allem müssen wir aufpassen, wenn „Repräsentation“ abrutscht und in alte Muster von negativer Darstellung marginalisierter Menschen verfällt. Denn es geht gar nicht so sehr darum *was* man schreibt – ob strahlender Held oder moralisch grauer Bösewicht – es geht immer viel mehr um das *Wie*. Gefährlich ist das unreflektierte Reproduzieren alter diskriminierender Tropes: Tropes wie „Bury Your Gays“ oder ähnliche Problematiken sind schließlich so bekannt und haben sogar eigene Namen, weil sie jahrelang unreflektiert als Gewalt gegen marginalisierte Menschen verwendet wurden. Ohne Subversion, ohne Kenntnis dieses literaturhistorischen Kontexts, können sie niemals Repräsentation für marginalisierte Menschen schaffen.

Deshalb müssen wir „gute“ Repräsentation als Spektrum betrachten, das jede Form von bestärkender Repräsentation einschließt – ob feel-good oder messy, idealistisch oder moralisch grau. Diese klare Abgrenzung brauchen wir genauso, wie eine gute Kenntnis diskriminierender Tropes und ihrem historischen Kontext, wenn wir tatsächlich „negative Repräsentation“ erkennen wollen. Abschließend bleibt vielleicht die Frage: Kann es unter diesem Blickwinkel so etwas wie „negative Repräsentation“ überhaupt geben? Ich denke: Nein. Es gibt nur Repräsentation. Und Repräsentation, bestärkend, authentisch, identitätsstiftend, ist in sich immer positiv, egal welche Art von Repräsentation. Das Gegenstück ist schlicht und ergreifend eine negative, verletzende und oft diskriminierende Darstellung. Wenn wir diese immer klar als das benennen, was sie ist, und sie nicht hinter „negativer Repräsentation“ verbergen, können wir den Diskurs darum, was „positive Repräsentation“ ist und sein kann vielleicht zurück auf die Schienen ziehen.

Lest hierzu auch den Artikel von Saku: Queers verdienen Qualität

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